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Basiswissen Mittelalter

Die mittelalterliche Gesellschaft wurde vor allem von der Kirche und der Bibel geprägt, der Glaube spielt im Leben der meisten Menschen eine entscheidende Rolle.

Der Mensch (so die Interpretation der Bibel) ist Teil einer Gesellschaft und hat dort einen festen Platz. Die Gesellschaft ist in drei Stände aufgeteilt: Der Klerus (Bischöfe, Mönche, Pfarrer) steht an der Spitze, gefolgt vom Adel und dem dritten Stand, den Bauern.

Die Stände hatten auch unterschiedliche Aufgaben: Der Klerus sollte dafür sorgen, dass die Menschen gottesfürchtig leben und sie sind für das Seelenheil zuständig. Der Adel ist für die Landesverteidigung zuständig und die Bauern für die Versorgung aller mit dem lebensnotwendigen.

Die beiden ersten Stände waren meist die Grundbesitzer (Äcker, Wiesen, Wald) und geben ihr Land als „Lehen“ an die Bauern weiter. Diese müssen „den Zehnt“ (zehnten Teil der Ernte) abgeben und für die Grundherren Arbeiten verrichten. Wer den Zehnt nicht zahlen konnte, wurde zum „Leibeigenen“ und war damit unfrei.

Dieses System wurde nicht hinterfragt und als „gottgegeben“ hingenommen. Über 90% der Menschen leben auf dem Land und versorgen sich selbst.

Lesen und Schreiben können nur ca. 2% der Menschen und Bildung ist ein Vorrecht der ersten beiden Stände.

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Kulturelle Umbrüche

Menschen streben nach innerem Zusammenhang und Widerspruchslosigkeit. Daher steht ihre Weltanschauung normalerweise in Einklang mit ihren Alltagserfahrungen. Und die Alltagserfahrungen der Menschen unserer Zeit unterscheiden sich grundlegend von den Lebenserfahrungen, die in die jüdisch-christliche Tradition eingegangen sind. Das Alte Testament entstand in einer Hirtengesellschaft. In seinen Symbolen – beispielsweise Gott als Hirte- spiegelt sich die Weltsicht einer Hirtengesellschaft wider.

Als das Neue Testament verfasst wurde, waren die Juden keine Hirten mehr, sondern überwiegend Bauern. Daher bildet das Neue Testament eine Agrargesellschaft mit anderen Regeln und einer anderen Weltsicht ab. Heute leben wir in einer entwickelten Industriegesellschaft, in der Computer viel eher zum täglichen Leben gehören als Schafe. Folglich besteht ein gedankliches Missverhältnis zwischen dem traditionellen normativen System und der Welt, die den meisten Menschen aus unmittelbarer Erfahrung bekannt ist. Weder die sozialen Normen noch die Symbole noch die Weltsicht der etablierten Religionen sind heute noch so überzeugend und folgerichtig wie in ihrer ursprünglichen Umgebung.

In der Agrargesellschaft war die Menschheit auf Gedeih und Verderb den unergründlichen und unberechenbaren Naturgewalten ausgeliefert. Da man über die Ursachen wenig wusste, machten die Menschen für alle Ereignisse menschenähnliche Geister oder Götter verantwortlich. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft und musste akzeptieren, was vom Himmel kam, ob es nun Sonne war oder Regen. Man betete um gutes Wetter, um Schutz vor Krankheit und vor Insektenplagen.

In der Industriegesellschaft verlagerte sich die Produktion zunehmend nach drinnen in eine von Menschenhand geschaffene Umgebung. Man wartete nicht auf den Sonnenaufgang oder auf den Wechsel der Jahreszeiten, sondern knipste das Licht an oder drehte die Heizung auf. Um eine gute Ernte musste man nicht mehr beten, denn die Produktion hing von Maschinen ab, entworfen und gewartet durch menschliche Erfindungsgabe.

Und mit der Entdeckung von Krankheitserregern und Antibiotika galten auch Krankheiten nicht mehr als Strafe Gottes. Sie waren nun ein Problem, das der Mensch in den Griff bekommen konnte.

Über die Jahrhunderte hinweg veränderten sich die Alltagserfahrungen der Menschen so grundsätzlich, dass es nur natürlich war, wenn sich auch die herrschende Kosmologie veränderte. In der Industriegesellschaft war die Fabrik das Zentrum des produktiven Strebens, und dazu passte ein mechanistisches Weltbild. Gott galt nunmehr als der große Uhrmacher, der das Universum konstruiert und dann weitgehend sich selbst überlassen hatte. In dem Maße, wie der Mensch seine Umwelt beherrschte, trat Gott in den Hintergrund. Materialistische Ideologien entstanden, die eine religionslose Interpretation der Geschichte vorlegten und weltliche, allein durch Technik in Menschenhand erreichbare Utopien formulierten.

Mit dem Übergang zur postindustriellen Gesellschaft werden sich die vorherrschenden Ansichten über den Kosmos vermutlich weiter verändern, allerdings nicht genau in dieselbe Richtung wie in der frühen Phase der Industrialisierung. In den Vereinigten Staaten, in Kanada und Westeuropa arbeitet die Mehrzahl der Erwerbstätigen nicht mehr in Fabriken. Die Menschen bewegen sich nicht mehr in einer mechanistischen Umgebung, sondern verbringen ihre produktive Zeit im Umgang mit Menschen und Symbolen. Die menschlichen Bestrebungen richten sich immer weniger auf die Herstellung materieller Objekte, sondern auf Kommunikation und Informationsverarbeitung. Innovation und Wissen sind die entscheidenden Produkte.

Ronald Inglehart: Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt. Campus Verlag, Frankfurt/New York 1990, S. 229-230)

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Selbstkompetenz Sozialkompetenz

Glückstopf

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Seine Schlösser kosten

Bismarcks Geld für den „Kini“

Bayerns König Ludwig Il. ließ sich seine Zustimmung zur deutschen Einheit im Wortsinn vergolden. Der baufreudige Monarch, der soeben mit dem Projekt Schloss Lindenhof [1]https://www.schlosslinderhof.de/bilder/schloss/linderhof500.jpgbegonnen hätte, benötigte erhebliche finanzielle Mittel. Hier setzte Bismarck den Hebel an und bot ihm eine größere Summe für die königliche Schatulle [2]Tresor. Offiziell als Darlehen, wenngleich, wie Bismarck wusste, „ohne Hoffnung auf Rückzahlung“, erhielt Ludwig ll. neben einer größeren Abschlagssumme jährlich etwa 300 000 Mark, insgesamt also mehrere Millionen.

Ludwig II von Bayern https://commons.wikimedia.org/wiki/File:König_Ludwig_II._von_Bayern_in_Generalsuniform_mit_dem_Krönungsmantel.jpg

Das Geld stammte aus einer Schwarzen Kasse, dem Wetenfonds, dem 1866 von Preußen beschlagnahmten Vermögen des hannoverschen Königshauses. Die Investition zahlte sich für beide Seiten aus. Bayern betrieb in den Folgejahren eine preußenfreundliche Politik und Ludwig Il. konnte weiter seine Märchenschlösser bauen.

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Emser Depeche

Aus einer Mücke einen Krieg machen

Es herrschte eine gespannte Stille am Tisch. Niemand als, sprach oder trank. Den drei wichtigsten Männern Preußens, Reichskanzler Otto von Bismarck, Kriegsminister Albrecht von Roon und Generalstabschef Helmuth von Moltke, waren Appetit und Sprache abhanden gekommen. Die Nachricht, die sie an jenem 13. Juli 1870 aus dem fernen Ems erhalten hatten, änderte alles. So empfand es die Berliner Runde. Doch was war geschehen?

Das Unheil hatte sich in Spanien zusammengebraut. 1868 wurde dort Königin Isabella II. vom Thron gejagt, eine gebürtige Bourbonin. Die Suche nach einem Ersatz für die frankreichfreundliche Regentin führte die Spanier durch halb Europa und ließ sie auch beim Hause Hohenzollern anklopfen.

Man wandte sich allerdings nicht an die preußischen Hohenzollern, sondern an die Hohenzollern aus Sigmaringen im heutigen Baden-Württemberg. Dieser Zweig war katholisch und seit Jahrhunderten von seiner nördlichen Verwandtschaft emanzipiert, der angefragte Prinz Leopold von Sigmaringen über seine Großmutter sogar mit dem französischen Kaiser verwandt.

Aus französischer Sicht wäre daher alles halb so schlimm – wenn nur der Name „Hohenzollern“ nicht wäre. Dieser reizte wie ein rotes Tuch: Man fürchtete in Frankreich, von der Hohenzollern-Dynastie gleichsam umklammert zu werden, wenn diese in Preußen und Spanien herrschen sollte. Entsprechend heiß liefen die diplomatischen Kanäle, zumal im Mai 1870 mit Antoine de Gramont ein ausgesprochener Preußenfeind zum Außenminister Frankreichs ernannt wurde.

In diesem Monat sagte Prinz Leopold von Hohenzollern zu, den spanischen Thron zu besteigen – nachdem er zuvor lange gezögert und zweimal abgesagt hatte. Die treibende Kraft hinter der Zusage war Bismarck, der sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen wollte, Frankreich eine diplomatische Niederlage beizubringen.

Außenminister Gramont wurde nicht müde zu betonen, dass die spanische Thronfrage die französischen Interessen betreffe, die es zu verteidigen gelte. Dass dieses Interesse durch kein Völkerrecht gestützt oder moralisch begründet war, interessierte nicht. Hinzu kam die fatale Fehleinschätzung, man sei in Frankreich für einen Waffengang gut gewappnet. So konnte Gramont unverhohlen mit Krieg drohen, falls Leopold nicht offiziell auf die Kandidatur verzichte.

Ein Hohenzoller auf Spaniens Thron? Für Frankreich der Horror

Die Kriegsdrohungen zeigten Wirkung: Am 12. Juli 1870 verzichtete Prinz Leopold auf den Thron. Kaiser Napoleon III. atmete in Paris auf. Nur einem genügte das nicht: Außenminister Gramont. Er gab seinem Botschafter Benedetti den Auftrag, zu König Wilhelm zu reisen. Dieser hielt sich zur Kur im beschaulichen Ems an der Lahn auf. Hier sollte der französische Botschafter vom Preußenkönig die Zusage erwirken, dass nie wieder ein Hohenzoller für den spanischen Thron kandidierte.

Morgens am 13. Juli passte Benedetti den König auf der Emser Kurpromenade ab. Wilhelm spazierte in Zivil und wurde vom Franzosen fern jeglicher Etikette bedrängt, die von Gramont erwünschte Erklärung abzugeben. Der König teilte dem Franzosen mit, dass er mit der ganzen Sache wenig zu tun habe und der falsche Ansprechpartner sei. Trotzdem lief er ihm zusätzlich am Mittag Leopolds Verzichtserklärung zukommen.

Über das Gespräch mit dem Botschafter hatte Wilhelm eine Abschrift anfertigen lassen und sie zu Bismarck geschickt. Der könne die Abschrift ganz oder teilweise veröffentlichen, falls er es für notwendig erachte. Das Telegramm traf wenig später in Berlin ein und lag vor Bismarck, Roon und Moltke. Den dreien war der enthaltene Zündstoff klar – und entsprechend groß ihre Niedergeschlagenheit, wie Bismarck später in seinen Erinnerungen berichtet.

Der Reichskanzler fragte Generalstabschef Moltke nach dem Stand der Rüstung des preußischen Militärs, und nachdem dieser angab, dass ein rascher Kriegsausbruch sogar von Vorteil sei, holte Bismarck seinen Stift heraus. Er verfälschte nicht – er kürzte. Ganz so, wie es das königliche „teilweise“ erlaubte. Heraus kam die sogenannte „Emser Depesche“, die für damalige Verhältnisse ungewohnt kurz und schroff ausfiel und mit dem Satz endete: »Seine Maj. der König hat es darauf abgelehnt, den Franz. Botschafter nochmals zu empfangen, und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, dass S. Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzuteilen habe.“

Die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« brachte diese „Emser Depesche“ am 13. Juli in der Abendausgabe. Tags darauf erschien sie in der französischen Zeitung „Soir“ – und schlug ein wie eine Bombe. In so einem Ton lässt die Grande Nation nicht mit sich reden! Der französische Ministerrat traf sich zu Sondersitzungen. Und auf den Straßen sammelte sich die aufgebrachte Menge. „Zum Rhein!“, war überall zu hören. Fünf Tage später erklärte Frankreich Preußen den Krieg. Und stand vor der ganzen Welt als Kriegstreiber da.

Jochen Opperman, Geschichte 6/2020 S. 28f

Bild der Emser Depesche

Emser Depeche https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Depesche.jpg#filelinks

Lage von Hohenzollern Sigmaringen

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Map-Prussia-Hohenzollern.svg
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Geburt einer Nation

Nach der Schlacht bei Sedan scheint die nationale Einigung zum Greifen nah, als ungeahnte Probleme auftauchen. Doch dem preußischen Staatsmann Otto von Bismarck gelingt es, das Deutsche Reich aus der Taufe zu heben

Endlich! Die Erleichterung steht Preußens Ministerpräsidenten Otto von Bismarck ins Gesicht geschrieben, als er seinen Mitarbeitern verkündet: „Die deutsche Einheit ist gemacht und der Kaiser auch.“ Bis dahin war es ein steiniger Weg. Dass die süddeutschen Staaten Schwierigkeiten machten, hatte Bismarck noch erwartet. Doch als sich der preußische König Wilhelm I. weigerte, die Kaiserwürde anzunehmen, stand plötzlich alles infrage. Bismarck musste seine ganze Überredungskunst einsetzen, um den alten Monarchen irgendwie umzustimmen.

Mit dem Ende des napoleonischen Kaiserreichs war das wichtigste außenpolitische Hindernis für einen deutschen Nationalstaat Nur die süddeutschen Staaten zierten sich noch. Lediglich Baden sprach sich vorbehaltlos für einen Anschluss an den von Preußen dominierten Norddeutschen Bund aus — Großherzog Friedrich I. von Baden war Wilhelms Schwiegersohn. Bayern und Württemberg hingegen zeigten Bismarck die kalte Schulter. Wie konnte man sie von der Einheit überzeugen? Hier gingen die Meinungen auseinander.

Bayern und Württemberg müssen erst noch überzeugt werden

Wahrend Preußens Kronprinz Friedrich Wilhelm dafür plädierte, massiven Druck auszuüben, setzte Bismarck auf den Verhandlungsweg, auch um den Schein der Freiwilligkeit zu wahren. Zudem vertraute er darauf, dass sich auch die Könige von Bayern und   dem spontan aufgekommenen Patriotismus nach der Schlacht von Sedan nicht entziehen konnten. Hinzu kam: Wie sollten die beiden süddeutschen Staaten angesichts der wirtschaftlich engen Verflechtungen im Zollverein weiterhin selbstständig bestehen? Bismarck war sicher, dass man auch in München und Stuttgart über diese Frage nachdachte. Warum also sollte man den Beitritt erzwingen und damit anhaltenden Widerstand auslosen, wenn scheinbare Freiwilligkeit zur Grundlage einer soliden Partnerschaft werden konnte?

Trotzdem waren es schwierige Verhandlungen, die im Oktober und November 1870 in Versailles geführt wurden. Aber Bismarck war durchaus bereit, auf die Länder zuzugehen, sodass Bayern und Württemberg mit dem guten Gefühl abschließen konnten, Zugeständnisse herausgeschlagen zu haben. Bayern durfte seine eigene Eisenbahn-, Post- und Telegrafenverwaltung behalten und konnte damit Tag für Tag seine Eigenstaatlichkeit demonstrieren. Das Gleiche galt hinsichtlich der Post für Wittenberg. Hinzu kam, dass das bayerische Heer praktisch seine Selbstständigkeit bewahrte und der künftige Kaiser im Frieden nur ein „Besichtigungsrecht“ erhielt, um sich von der Kriegstauglichkeit der Truppen zu überzeugen. Auch der König von Württemberg besaß weiterhin das Recht einer eigenen Heeresverwaltung und der Ernennung von Offizieren.

Eigene Biersteuern in Bayern? Die sind für Bismarck kein Problem

Während man sich in München und Stuttgart Über die errungenen Zugeständnisse freute, hagelte es auf preußischer Seite massive Kritik an den sogenannten Reservatrechten (Sonderrechten) Bayerns und Württembergs. Eine eigene Post- und Eisenbahnverwaltung mochte man vielleicht noch hinnehmen, ebenso die eigenständige Bier- und Branntweinbesteuerung. Aber dass die Heere der beiden Staaten praktisch selbstständig bleiben durften, hielt man für mehr als bedenklich. Das Band, das das Kaiserreich einigen sollte, sei damit auf unzulässige Weise zugunsten einzelner Interessen gelockert worden, gaben die Kritiker zu bedenken.

Doch Bismarck blieb gelassen, und wie sich später zeigen sollte, völlig zu Recht. Er sah voraus, dass sich die Sonderrechte in Zukunft für das Reich als mehr oder weniger bedeutungslos erweisen würden. Tatsachlich bestand an der unbedingten Loyalität Bayerns und Württembergs nie der geringste Zweifel, im Gegenteil. Weil sie nicht das Gefühl haben mussten, Bismarck habe sie bei der Einigung über den Tisch gezogen, entwickelte sich zwischen München, Stuttgart und der preußischen Regierung ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis.

Bismarcks Taktik, den Schein der Freiwilligkeit zu wahren, hatte gesiegt. Der Abschluss der Vertrage mit den süddeutschen Staaten zwischen dem 15. und dem 25. November 1870 war sein ganz persönlicher Triumph.

Doch noch war langst nicht alles in trockenen Tüchern, denn die Kaiserfrage gestaltete sich nicht minder zäh. Als „alter Preuße“ setzte Wilhelm I. der neuen Würde erheblichen Widerstand entgegen. Das lag zum Teil an seiner Abneigung gegen alle Neuerungen überhaupt, aber auch an seiner Angst, preußische Tradition und Vergangenheit würden in einem geeinten Deutschland in Vergessenheit geraten.

Und nicht zuletzt störte es ihn wohl auch, dass die Idee, einem Hohenzollern die Kaiserkrone anzubieten, wahrend der 1848er-Revolution entstanden war. Damals hatte sich sein älterer Bruder Friedrich Wilhelm IV. als „König von Gottes Gnaden“ strikt geweigert, eine Krone aus der Hand von „Metzgern und Bäckern“ gemeint war die Frankfurter Nationalversammlung — entgegenzunehmen.

So war viel Überzeugungsarbeit nötig, um Wilhelm an die Kaiseridee zu gewöhnen, wobei Bismarck sowohl! vom Kronprinzen als auch vom Großherzog von Baden unterstützt wurde.

Mitte Dezember schrieb der König resigniert an seine Gemahlin Augusta: „Die Verhältnisse drangen mich zu etwas, was ich nur schweren Herzens annehmen kann und doch nicht mehr ausschlagen darf.“ Alle Probleme beseitigt? Weit gefehlt! Jetzt nämlich brach sich plötzlich der dynastische Dünkel Bahn. Wenn Wilhelm schon bereit war, das Unvermeidliche über sich ergehen zu lassen, dann wollte er kein „Deutscher Kaiser“, sondern „Kaiser von Deutschland“ werden, um den Machtzuwachs des Hohenzollernhauses aller Welt zu demonstrieren. Mühsam musste Bismarck seinem König erklären, dass verfassungsrechtlich gesehen nur der Titel „Deutscher Kaiser“ möglich war, da ein „Kaiser von Deutschland“ den „landesherrlichen Anspruch auf die nichtpreußischen Gebiete“ einbeziehe und somit nicht infrage kam.

Fürsten und Militärs sind die Gründer des deutschen Kaiserreichs

Auch damit war die Kaiserfrage noch keineswegs geklärt. Als das Deutsche Reich am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses Versailles aus der Taufe gehoben wurde, sah man sich gezwungen, die Titelfrage zu umgehen, sodass der Großherzog von Baden sein Hoch auf „Kaiser Wilhelm“ ausbrachte. Aber wenigstens musste Wilhelm die Kaiserkrone nicht aus der Hand von „Bäckern und Metzgern“ entgegennehmen, im Gegenteil. Es war Bayerns König Ludwig II., der ihm ganz offiziell die Krone anbot und auch die übrigen Herrscher der 22 deutschen Staaten und drei freien Städte dazu aufforderte. Die Vertreter des Volks spielten bei der Proklamation keine Rolle. Fürsten und Militärs waren die wahren Gründer des deutschen Kaiserreichs.

Bei allem Jubel über die nationale Einheit Deutschlands war freilich nicht zu übersehen, dass bereits an diesem Tag die Saat für den nächsten Krieg gelegt wurde. Die Zeremonie der Reichsgründung im Schloss des Sonnenkönigs war eine unglaubliche Demütigung der unterlegenen Franzosen, die das Verhältnis zwischen beiden Staaten nachhaltig vergiftete – und mehr als nur ein bitterer Wermutstropfen in Bismarcks politisch-diplomatischem Meisterstück.

Karin Feuerstein-Prasser, Geschichte 6/2020 S. 56ff

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Otto von Bismarck

Otto von Bismarck ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte. Durch seine von „Blut und Eisen“ geprägte Kriegspolitik erlangte Preußen die unangefochtene Vormachtstellung in Kontinental-Europa. Er wurde zum Volkshelden und zum ersten deutschen Reichskanzler.

Kindheit und Jugend

Der Name Bismarck steht für soziale Reformen, aber auch für den Kampf gegen Sozialisten und katholische Kirche. Die Ära Bismarck endete 1890, doch der Mythos Bismarck währt weit über seinen Tod hinaus.

Otto von Bismarck wird am 1. April 1815 in Schönhausen bei Stendal im heutigen Sachsen-Anhalt geboren. Im selben Jahr wird auf dem Wiener Kongress nach Napoleons endgültiger Niederlage Europa neu geordnet.

Bismarcks Mutter entstammt einer angesehenen Gelehrtenfamilie, sein Vater ist Spross eines altpreußischen Adelsgeschlechts und verfügt über große Ländereien, großen Reichtum und großen politischen Einfluss. Er wird zum Vorbild für seinen Sohn, der nach seiner Schulzeit Jura in Göttingen und Berlin studiert.

Als die Mutter 1838 stirbt, bricht Otto von Bismarck sein Studium kurz vor dem Abschluss ab. Er kehrt zurück zum väterlichen Landgut und bewirtschaftet es gemeinsam mit seinem Bruder Bernhard. Nach dem Tod seines Vaters 1845 übernimmt Otto die Leitung in Schönhausen komplett.

Er genießt das feudale Leben als wohlhabender Landjunker, heiratet die tief religiöse Protestantin Johanna von Puttkammer und gründet mit ihr eine Familie. Gemeinsam ziehen sie ihre drei Kinder Marie, Herbert und Wilhelm groß.

Bismarcks Weg in die Politik

Neben seiner Arbeit auf dem väterlichen Gut engagiert sich Otto von Bismarck mehr und mehr auf politischer Ebene. Als Mitglied des preußischen Vereinigten Landtages, der aus Vertretern der Stände zusammengesetzt ist, gehört er dem konservativen Lager an und ist ein Verfechter der Monarchie. Dementsprechend steht er im Revolutionsjahr 1848 auf Seiten des Preußen-Königs Friedrich Wilhelm IV.

Der zeigt sich nach der blutigen Niederschlagung des Volksaufstandes auch dankbar gegenüber Bismarck. Er belohnt dessen politisches Engagement und entsendet ihn 1851 nach Frankfurt am Main, wo Bismarck beim Deutschen Bund die Interessen Preußens vertreten soll.

Der König hat auf den richtigen Mann gesetzt, denn Bismarck kämpft vehement für eine Aufwertung der preußischen Position in der vom Hause Habsburg bestimmten deutschen Gesamtpolitik. 1858 übernimmt der liberal gesinnte Prinz Wilhelm von Preußen die Regierungsgeschäfte von seinem erkrankten Bruder.

Bismarck erkennt, dass der neue Regent nicht auf Konfrontationskurs mit Österreich gehen möchte und schickt ihm eine mahnende Denkschrift. Darin spricht er von der nationalen Idee und vom großen Vorteil, den eine Machtexpansion Preußens mit sich bringen könnte.

Wege zur Macht

Wilhelm I. reagiert diplomatisch besonnen auf Bismarcks mahnende Worte. Er stellt den hitzigen Junker vorläufig kalt, schickt ihn für einige Jahre als preußischen Gesandten zunächst nach St. Petersburg, später nach Paris.

Doch 1862 ist Bismarck wieder da und wichtig wie noch nie. Er wird zum Retter in einer inneren Verfassungskrise, die sich zwischen König, Regierung, Abgeordnetenhaus und Militär gefährlich zugespitzt hat und die in einen Staatsstreich der Generäle münden könnte.

Es geht dabei um die Kontrolle über die Armee, die der König in seinen Händen halten möchte, und um haushaltspolitische Kompetenzen. Bismarck erklärt sich dem König gegenüber bereit, notfalls auch gegen das Abgeordnetenhaus regieren zu können, woraufhin er vom Regenten zum Ministerpräsidenten ernannt wird.

Seine berühmte „Blut und Eisen“-Rede hält er vor dem wichtigsten politischen Gremium, der Budgetkommission des preußischen Landtages. Darin sagt Bismarck: „Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf seine Macht… Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig. Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden große Fragen der Zeit entschieden, …sondern durch Eisen und Blut.“

Damit hat Bismarck seine Karten auf den Tisch gelegt: Krieg scheint für ihn das passende Mittel, um die Vorherrschaft Preußens zu erlangen.

Mit „Eisen und Blut“ für Preußens Gloria

Das aufkeimende nationale Bewusstsein in der Bevölkerung, der Traum von einem geeinten großen Deutschen Reich, ist der Nährboden für die Bismarck’sche Kriegs- und Expansionspolitik, die für Preußen die ersehnte Vormachtstellung bringen soll. Als es mit Dänemark zum Streit um Schleswig und Holstein kommt, lässt Bismarck diesen Konflikt durch das Militär beheben.

Vereint besetzen preußische und österreichische Truppen, nach kurzen und siegreichen Kämpfen, die beiden Herzogtümer. Preußen übernimmt die Verwaltung Schleswigs, Österreich verwaltet Holstein. Doch aus den Bundesgenossen des dänischen Krieges werden bald erbitterte Feinde.

1866 kommt es im Ringen um die Vormachtstellung auf dem Kontinent zum Bruderkrieg zwischen Österreich und Preußen, den die preußischen Truppen in blutigen Kämpfen für sich entscheiden können. Mit der Gründung des Norddeutschen Bundes erfolgt nun der erste wichtige Schritt auf dem Weg zur Einheit Deutschlands.

Der nächste Anlass für die Weiterführung seiner „Blut und Eisen“-Politik ergibt sich aus dem französisch-preußischen Eklat über die Besetzung des spanischen Throns, der 1870 zum Deutsch-Französischen Krieg führt.

Durch einen geschickten Schachzug erreicht Bismarck, dass Frankreich die Kriegserklärung ausspricht. Dadurch ist der Bündnisfall eingetreten, der auch die süddeutschen Länder auf Seiten des Norddeutschen Bundes in das Kriegsgeschehen einbindet.

Bismarcks Aufstieg und Abgang

Der vom Norddeutschen Bund und den süddeutschen Ländern gemeinsam errungene Sieg über Frankreich wird von Bismarck sofort politisch genutzt. Am 18. Januar 1871 wird Wilhelm I. im Spiegelsaal von Schloss Versailles zum deutschen Kaiser proklamiert und der einheitliche deutsche Nationalstaat ausgerufen. Otto von Bismarck wird zum ersten Kanzler dieses neu geschaffenen Reiches.

Aufgrund seiner Größe, seiner militärischen Stärke und der rasant wachsenden Industrialisierung wird Deutschland zur stärksten politischen und wirtschaftlichen Macht in Europa. Doch kaum ist dieses Ziel erreicht, tauchen Probleme an der innenpolitischen Front auf.

Mit scharfen Gesetzen versucht Bismarck, die Sozialisten, in denen er eine Gefahr sieht, in die Schranken zu weisen. Fast gleichzeitig liefert er sich mit der katholischen Kirche und der ihr nahe stehenden Zentrumspartei eine harte Auseinandersetzung. Im sogenannten Kulturkampf entkräftet er den klerikalen Einfluss auf den Staat und führt die Zivilehe bindend ein.

Darüber hinaus sorgt er mit fortschrittlichen sozialen Reformen für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiterschaft. Als im so genannten Dreikaiserjahr 1888 zuletzt Wilhelm II. Kaiser wird, sind die Tage Bismarcks gezählt.

Anders als seine Vorgänger möchte der neue Regent die Machtbefugnisse Bismarcks beschneiden. Es kommt zum Zerwürfnis und schließlich zum Rücktritt des Reichskanzlers. Die Ära Bismarck endet im März 1889, der Mythos des „Eisernen Kanzlers“ lebt bis in die Gegenwart hinein weiter.

aus: https://www.planet-wissen.de/geschichte/persoenlichkeiten/otto_von_bismarck_der_eiserne_kanzler/index.html

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Streit um den Kaisertitel

Kronprinz Friedrich Wilhelm (1831–1888) in einem Tagebucheintrag über ein Treffen des preußischen Staatsrates[1]Treffen aller Minister am 17. Januar 1871: 

„Hauptquartier Versailles, den 17. Januar 1871
Beim König fand nachmittags eine Sitzung statt. (…) in überheiztem Zimmer wurde drei Stunden über den Titel des Kaisers, die Benennung des Thronfolgers, die Stellung der Königlichen Familie, des Hofes und Heeres zum Reich usw. beraten. Hinsichtlich des kaiserlichen Titels bekannte Graf Bismarck, dass bereits bei den Verfassungsbesprechungen die bayerischen Abgeordneten und Bevollmächtigten die Bezeichnung ‚Kaiser von Deutschland‘ nicht hätten zulassen wollen, und dass er endlich ihnen zuliebe, aber allerdings, ohne se. Majestät vorher zu fragen, diejenige eines ‚Deutschen Kaisers‘ zugestanden habe. Diese Bezeichnung, mit welcher gar kein eigentlicher Begriff zu verbinden ist, missfiel dem König ebenso wie mir, und wir taten unser Möglichstes, um an ihrer statt das ‚von Deutschland‘ zu erlangen. Graf Bismarck blieb jedoch dabei. (…)

Die Frage der Reichsfarben erregte wenig Bedenken, da der König nichts Wesentliches gegen eine schwarz-weiß-rote Kokarde[2]Flagge einwandte, umso weniger als, wie er sich ausdrückte, selbige nicht wie die schwarz- rot-goldene aus dem Straßenschmutz[3]Flagge und Farben der deutschen Revolutionäre von 1848, die gegen die Monarchie protestiert haben erstiegen wäre. (…)

Je deutlicher sich nun aber die Konsequenzen von ‚Kaiser und Reich‘ im Lauf der Verhandlungen zeigten, desto aufgebrachter wurde der König. schließlich brach er in die Worte aus, nur ein Scheinkaisertum übernähme er, nichts weiter als eine andere Bezeichnung für ‚Präsident‘; (…) Ferner sagte er in äußerster Aufregung, er könne uns gar nicht schildern, in welcher verzweifelten Stimmung er sich befände, da er morgen von dem alten Preußen, an welchem er allein festhielte und fernerhin auch festhalten wollte, Abschied nehmen müsste. Hier unterbrachen schluchzen und Weinen seine Worte. (…)“

Quelle: zitiert nach: Johannes Hohlfeld: Deutsche Reichsgeschichte in Dokumenten 1849–1926, 2 Bde. Berlin 1927, Bd. 1, S. 69–76

References

References
1 Treffen aller Minister
2 Flagge
3 Flagge und Farben der deutschen Revolutionäre von 1848, die gegen die Monarchie protestiert haben
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Der „Kaiserbrief“

Brief König Ludwigs II. von Bayern (1845–1886) vom 30. November 1870. der Brief basiert auf einem Entwurf Bismarcks vom 27. November 1870 und wurde auf dessen Veranlassung hin dem preußischen König übersandt: 

„Allerdurchlauchtigster großmächtigster Fürst!
Freundlich lieber Bruder und Vetter!

Nach dem Beitritte Süddeutschlands zum deutschen Verfassungsbündnis werden ew. Majestät übertragenen Präsidialrechte über alle deutschen Staaten sich erstrecken. I

Ich habe mich zu deren Vereinigung in einer Hand in der Überzeugung bereit erklärt, dass dadurch den Gesamtinteressen des deutschen Vaterlandes und seiner verbündeten Fürsten entsprochen werde, zugleich aber in dem Vertrauen, dass die dem Bundespräsidium nach der Verfassung zustehenden Rechte durch Wiederherstellung eines deutschen Reiches und der deutschen Kaiserwürde als rechte bezeichnet werden, welche ew. Majestät im Namen des gesamten deutschen Vaterlandes aufgrund der Einigung seiner Fürsten ausüben. 

Ich habe mich daher an die deutschen Fürsten mit dem Vorschlage gewendet, gemeinschaftlich mit mir bei ew. Majestät in Anregung zu bringen, dass die Ausübung der Präsidialrechte des Bundes mit Führung des Titels eines deutschen Kaisers verbunden werde. 

Mit der Versicherung der vollkommensten Hochachtung und Freundschaft verbleibe ich 

euer königlichen Majestät freundwilliger Vetter, Bruder und Neffe 

Ludwig, Hohenschwangau, d. 30. Nov. 1870“ 

Quelle: Haus der Bayerischen Geschichte: Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871, http://www.hdbg.de/ludwig/pdf/lehrerinfos_unterichtsmaterial_Gruendung-des- Deutschen-Kaiserreich.pdf (Zugriff: 17.02.2014) 

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Das neue preußische Wappen

Karikatur der französischen Satirezeitschrift „Le Charivari“, Paris, 30. August 1871

Achtet auf:

  • Preußischer Adler als Fledermaus
  • Namen von Mitgliedsstaaten des Deutschen Reiches
  • Pickelhaube
  • Pistole
  • Säbel
  • Eisernes Kreuz
  • Geldbeutel
  • Blutstropfen